Schlaftrunken die Zeitung geöffnet, um etwas Leichtes zu meinen Cornflakes mit Honig einzunehmen. Normalerweise ist es ja nicht der Kulturteil, für den bin ich meistens noch nicht wach genug, darum kümmere ich mich anfangs um den Sportteil, welcher dank Skocek´s Kommentare und Berichte zum Runden ins Eckige relativ gut ist. Zwar kein Vergleich mit 11 Freunde und ballesterer, aber das sind Magazine, die feinster Popliteratur ähnlich sind. UND, Sport besteht aus mehr, so ein Aficionado bin ich ned.
Jedenfalls, heute äußerst kreativ den Sportteil umgangen und gleich frontal zur Progressivität vorgepirscht. Progressiv als Ersatz für Kultur deshalb, weil ein paar Freunde in dem Bereich tätig sind und dieses Wort inkl. "gesettelt" fast jeden Satz schmückt. Aber nun endgültig zum ersten Artikel in diesem Ressort. Erster Artikel nennt sich "Jazz-Brunch mit Müsli", danke, da fühlt man sich doch gleich wohler ob seines Tagesrhytmus. Norah Jones präsentierte in Baden-Baden ihre neueste Platte und Christian Schachinger zerpflückte diese in bewährter Manier. Selten dass Herr Schachinger etwas für interessant oder gut befindet, klar, er ist Kritiker. Ich erinnere mich an folgenden Satz über ein Air Konzert (2000 oder 2001 in Wien), der sich sinngemäß so las: "...das Konzert war so langweilig, dass sogar das Bier an der Theke einschlief..." Prost, sie haben sich intensiv mit dieser Band beschäftigt. Und ich assoziiere wild dahin, wenn das so weiter geht kann ich noch mit Tristam Shandy mithalten. Nö, niemals, das ist unerreicht und der Autor des Buches, war schon Avantgarde als der Sinn des Wortes noch nicht bekannt war.
Schachinger beschreibt Jones als schüchternes, kleines Ding, das einen kleinen Wandel zu mehr Ecken und Kanten in ihrem Stil vollzieht. Daneben her erkennt er eine inszenierte Verruchtheit der Madame Jones, denn die ist doch in Wirklichkeit eine Sonnenanbeterin und Müsli-Esserin, die definitiv solches nach dem Aufstehen erlebt, nicht, wie wohl er, der harte Hund, nach einem wilden Nachtleben.
Schlussendlich nach ein wenig musizieren von Madame Jones, begibt sich der Journalist in seine Karre, hört Sade von 1984 und meint " Besseres kommt nix nach: Tell me why, tell me why, tell me why - can´t we live together?! Weil du ein fades Trutscherl bist."
Der Ausdruck Trutscherl hat mich lachen lassen, weil schon lange nicht mehr gehört oder gelesen. Obwohl ich Sade mit Jones vom Stil her nicht vergleichen würde, sind sie sich, wenn man gemütliche Musik als fad bezeichnen will, doch ähnlich. Ob ich dann mit ihnen zusammen leben will oder nicht ist mal wieder etwas anderes, zumindest zum Frühstück ist es hin und wieder ganz nett wenn sie mir auf ihre Art Guten Morgen ins Ohr flüstern. Und, muss immer alles neu, kreativ, progressiv und hip sein? Ich erwarte mir das nicht immer von einer Gesangskapelle. Gemütlichkeit eben, ha... Nein, neue Impulse, neue Stile her damit. Nur Frau Norah wird ihr Klischee, welches um sie entstand, wohl kaum ablegen und einen auf Schrammelrock machen. Muss man sich da aufregen? Nein, tut wohl niemand, man zeigt nur in kleinen Nebensätzen was man nicht für ein Kosmopolit der Musik ist, brrr.
An der Bar steht vielleicht noch ein Bier von 2001, vielleicht ist daneben ein Platz frei, Christian?
Ansonsten, am Wochenende fand die Parlamentswahl in Serbien statt. Die demokratische Parteien haben die Mehrheit, sind verstritten und schaffen es hoffentlich trotzdem zu einer Regierung mit nem guten Programm und dem Weg in die EU.
Das Land interessiert mich, nicht nur weil man bei der Einreise noch nen Stempel in den Pass kriegt, mit dem Vermerk mit welchem Verkehrsmittel mensch eingereist ist. Sondern auch, weil sich mein Bild über das Land stetig und rapide geändert hat. Anfangs Serbien als die Enklave der klassischen Bösen gespeichert (danke Medien, danke naiver Flo), die nach dem NATO-Bombardement 1999 langsam in ein anderes Bild gerückt wurde. Aufschlussreiche Proseminare an der Uni waren weitere Häppchen, die ein Umdenken hervorriefen. Dann noch das Attentat auf den damaligen Premier Zoran Djindjic im März 2003 und eine Reise nach Belgrad 2006.
Dieses Land ist einfach voller Widersprüche, ein Beispiel dazu ist das Amselfeld und der Epos dazu. Man vergöttert einen Ort an dem man eine Niederlage erlitten hat, aber eine heroische, denn es wurde gegen die Osmanen gekämpft, hurra. Die Rede von Milosevic (1989) zur Schlacht ums Amselfeld zu der 600 jährigen Gedenkfeier, dienen wohl ein wenig zur Klärung des serbischen Stolzes hinsichtlich eines unabhängigen Kosovos.
Aber, wie soll die jetzige Generation (ich spreche jetzt mal nur von unserer Altersklasse) sich orientieren, wenn sie kaum die Möglichkeit über die eigene Situation möglichst objektiv zu reflektieren. Du erlebst Krieg als natürliche Umgebung. In der Pubertät kriegst du Propaganda hinsichtlich des stattfindenden Jugoslawien-Kriegs reingepresst. Als 1999 die Bomben auf Belgrad fielen, wir uns wohl auf dem Weg zur Arbeit, Ausbildung oder Freizeit befanden, feierst du, weil du nicht weißt, was morgen ist. Dann erhält man Hoffnung durch einen umstrittenen Djindjic, der sich in Richtung Europa bewegt, um durch dessen Ermordung frustriert zu werden. Kostunica übernimmt, der Politik vertraust du nicht mehr, vielleicht hast Du die Chance auf Bildung und siehst Deine Zukunft im Ausland. Deinen Präsenzdienst bringst hinter Dich oder arbeitest schon, hörst tolle Geschichten über den Kosovo ( Kosovaren essen Serben), hast Dein Studium hinter Dich gebracht und bist ohne Job, wie übrigens offiziell 28% in Serbien -Ende 2006 (eher wohl 40%, laut diesem Artikel). In der Situation ein demokratisches Grundverständnis aufzubauen und zu behalten, empfinde ich als unglaublich.
Die jungen Leute, die ich kennen lernen durfte, waren alle frustriert und ein Visum ist für alle ihr größter Wunsch. Einer von Ihnen, Milos, hat als einziger eine sehr objektive Sicht der Dinge. Hat wohl damit zu tun, dass er für einige Zeit in Budapest und Basel gelebt hat. Er ist sich im Klaren darüber, dass der Kosovo unabhängig werden muss, ansonsten wird das nix mit der EU. Daneben sehe ich Plakate von Milosevic, erkenne Zeichen für Großserbien, was Nationalisten vielfach als einzige Lösung all ihrer Probleme ansehen und habe keine Ahnung, ob mich die jungen Leute jemals in Österreich besuchen kommen können. Vielleicht ja, wenn die Partei von Cedomir Jovanovic groß wird. Na ja, die Hoffnung stirbt zuletzt.
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